Inhalt:
Charlotte ist die missratene Tochter eines
adligen Ehepaars des frühen 18. Jahrhunderts. Missraten,
weil sie die einzige ihrer vielen Schwestern ist, die keine
fraulichen Formen annehmen will. Sie ist und bleibt eine
Hopfenstange.
Diese körperlichen Nachteile sind jedoch von Vorteil als Fürst
Christian eine Frau sucht. Der findet allzu weibliche Formen aus
Gründen, die schon am Anfang des Romans geklärt werden, nur allzu
abstoßend.
Charlotte wird also zur Braut des Fürsten und ihr wird schon vor
dem Beginn der Ehe klar, dass ihr keine sorgenfreie Zeit
bevorsteht. Die Erbfolge derer von Saalstein-Treskau muss
verteidigt werden.
Intrigen, Hass, Neid, Missgunst aus der eigenen und der
angeheirateten Familie, Ausnutzen von Notsituationen durch
Höhergestellte, und einige brenzlige Situationen erwarten sie und
ob sie sich letztendlich zu behaupten weiß und glücklich wird,
erfährt man nach vielen durchlebten Situationen.
Meine
Meinung:
Die Fürstin,
ein Debüt-Roman. So
wird er vom Bertelsmann-Club herausgestellt.
An
ein Erstlingswerk kann ich allerdings nicht glauben. Der Detailreichtum
mit dem die Geschichte aufwartet ist berauschend, wie die Kleider-
und Möbelpracht der Zeit, die hier eine Rolle spielt. Niemals
belehrend, eher beiläufig erfährt die LeserIn vieles über eine
Zeit, die mir bisher eher aus französischer Sicht bekannt
waren.
Hier lesen wir mehr von Potsdam, Wien und Dresden als von Paris
und der Zeit vor Marie Antoinette. Madame Pompadour, Louis XV und
Louis XVI waren mir aus diversen Romanen bekannt, schließlich
gelang mir der Zugang zum historischen Genre mit Desirée und
einigen Romanen aus der Zeit vor- und nachher. Aber auch die Schöne
Wilhelmine hat mir Potsdamm aus einer etwas späteren Epoche nahe
gebracht. Über August den Starken hatte ich aus Romanen vorher
nichts gehört.
Eric Maron hat es geschafft ein farbenprächtiges
Bild heraufzubeschwören und lebendige Charaktere zu zeichnen. Zwar musste
gerade die Hauptfigur Charlotte nicht so viel erleiden, wie meine
letzten Heldinnen, der Lesesog stellte sich jedoch ungebremst ein.
Die zickigen Schwestern, die mit Standesdünkeln behafteten
Eltern, die vielseitigen Männer derer von Saalstein-Treskau, so
viele Geschichten in einer, das ist der richtige Stoff für ein
langes Wochenende.
Charlotte
ist eine Frau aus dem Leben, die sich für das Volk einsetzt.
Soziale Ungerechtigkeit ist ihr ein Dorn im Auge. Jedoch ist sie
auch ein Kind ihrer Zeit und kann sich nur im Rahmen ihrer
Möglichkeiten durchsetzten. Sie wird als junge Frau in eine
bisher unbekannte Hierarchie geschubst und findet sich nach
anfänglichen Schwierigkeiten gut zurecht. Sie nimmt Dinge
gelassen hin, über die man in ihrer Zeit nicht einmal zu
sprechen wagte. Sie erleidet einige Rückschläge um nur gestärkt
daraus hervorzugehen. Auch ihre Mitstreiter sind keine
Statisten, sondern Menschen aus Fleisch und Blut mit Stärken und
Schwächen, die man bisher in historischen Romanen eher ausgespart
hat.
Leider waren für die geschichtlich korrekte
Einordnung sehr viele Namen notwendig. Besonders die Adelstitel
fallen auf, aber sie gehören nun mal in die Zeit. Eric Maron
verzichtet jedoch auf unnötige Komplikationen und die Figuren
sind so unverwechselbar, dass man sie auch auseinander halten
kann. Selbst vertrackten Erbrechtsangelegenheiten werden durch
ihn les- und verstehbar.
Besonders
gelungen ist ihm die Darstellung von Erotik und Prüderie. Nach
der Hochzeitsnacht geht es in Charlottes Schlafzimmer ohne die
falsche Scham zu, die die Kirchengeschichte der Zeit nahe legt,
erfrischend offen erlebt man mit Charlotte, wie sie sich auf
diesem Gebiet entwickelt.
Aber auch die Herrscher der Zeit (und der
folgenden Periode) werden zu Menschen mit Stärken und
Schwächen. Der gesellschaftliche Mechanismus, der hinter vielen
politischen
Entscheidungen liegt wurde sehr deutlich. Mit solch einem Roman im
Hintergrund hätte ich ggf. auch schon früher die missliche Lage
von Elisabeth der I. von England verstanden, die sich Maria
Stuart gegenüber sieht. Vielleicht hätte so Schiller eine Chance
bei mir gehabt.
Maria
Theresia, der Prinz von Savoyen, die Frau von August dem Starken,
... die Reihe der berühmten Personen, die mir im Gedächtnis
haften blieben, ließe sich noch endlos fortsetzen. Meine
Lieblingsfigur ist jedoch der grüne Baron. Soviel Mensch und
soviele liebenswerte Details, mit denen er bestückt wurde. Den
Mann hätte ich gern kennen gelernt.
Es sind einfach
so viele Aspekte die einen guten historischen Roman ausmachen
erfüllt, dass ich nicht anders kann, als 'Die Fürstin'
jedem ans Herz zu legen, der sich entspannt gut unterhalten möchte. Hier stören keine unrichtigen Fakten,
hier ist die Gesamtdarstellung ausgefeilt und man kann in eine Welt voller Farbenpracht eintauchen.
(Binchen, Juli 2004)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: HC
- Bertelsmann-Clubausgabe mit farbigem Vorsatzpapier und
Lesebändchen
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