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Rezension

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Inhalt:

Ayemenem in Kerala/Südindien. Eine indische Mittelstandsfamilie, syrisch-christlich und anglophil, führt die kleine "Paradise Pickles & Konserven"-Fabrik. Im Dezember 1969 nimmt unvermutet eine Tragödie ihren Lauf, die binnen weniger Wochen alle familiären Bindungen dauerhaft zerrütten und vernarbte Seelen zurücklassen wird. Die zwei Menschen das Leben kosten wird. Und an deren Ende sich alle Beteiligten um den Sarg der kleinen Sophie versammeln werden, während das andere Opfer weitgehend unbeweint bleibt.

Im Mittelpunkt der Geschehnisse zwei Kinder: Der Junge Estha und das Mädchen Rahel, biologisch zweieiige Zwillinge, geistig jedoch ein untrennbar Ganzes. Sowie ihre geschiedene Mutter Ammu, der die indische Gesellschaft keinen würdigen Platz mehr zuerkennt und die gegen ihr Schicksal rebelliert, indem sie verbotenerweise die tradierten Kastenschranken überschreitet. Die Gesetze, die festlegten, wer wie geliebt werden sollte. Und wie sehr. 

Meine Meinung:

Die vorgeblich "kleinen Dinge", das sind Erinnerungsfetzen und Begebenheiten aus den Lebensgeschichten der Familienmitglieder und Dorfbewohner. Neben Ammu und ihren Kindern vor allem die der verwitweten Großmutter Mammachi, ehedem gedemütigte Ehefrau eines stolzen "Entomologen des britischen Empires". Daneben die der altjüngferlichen und missgünstigen Großtante Baby Kochamma sowie die des Onkels namens Chacko, eines im Leben gescheiterten ehemaligen Oxfordstipendiaten. Oder die des Parias Velutha. Sie alle werden rückblickend erzählt, wodurch der Blick der LeserInnen hauptsächlich auf Ursachen und Wirkungen gelenkt wird. Viele Zusammenhänge erschließen sich erst im Nachhinein. Die vielfältigen Episoden reiht Arundhati Roy gekonnt aneinander, so dass der Roman niemals Gefahr läuft, in bruchstückhafte Einzelteile zu zerfallen. Ihre Sprache ist bilderreich und poetisch (vor allem bei den stimmungsvollen Naturschilderungen) und nicht ohne Humor. Oft erzählt sie aus der Sicht der beiden Geschwister, die ihre Umwelt auf typisch kindliche Art wahrnehmen, dabei phantasievoll anreichern und wortspielerisch beschreiben.

Die "großen Dinge", vor denen die kleinen zurückweichen, um sich ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit bewusst zu werden, das ist das Indien der späten 1960er Jahre, das seinen eigenen Weg in die Unabhängigkeit noch nicht so recht gefunden hat, belastet durch das Erbe des britischen Kolonialismus und aufgeschreckt durch innenpolitische Unruhen. Darüber hinaus beklagt Roy den heutigen kulturellen Ausverkauf ihres Heimatlandes, das zunehmender Verwestlichung anheim fällt. Sie prangert - ganz im Gegensatz zu ihrem aktuellen politischen Engagement - nicht vehement an. Als Schriftstellerin erzählt Arundhati Roy sacht, aber mit nachhaltiger Wirkung: Kleine Begebenheiten, gewöhnliche Dinge, zerstört und rekonstruiert. Mit einer neuen Bedeutung versehen. Und plötzlich werden sie zu den ausgebleichten Knochen einer Geschichte. © Fevvers 2002. 

Bewertung: **** (wo ist der Fünfte?) 

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: Blessing 1. A. 1997. 

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 30.04.2002, letzte Änderung am 13.06.2003, Layout by abrakan