Enid Lambert aus dem provinziellen St.
Jude im Mittelwesten der USA ist Anfang 70 und möchte das Leben genießen. Die
erwachsenen Kinder Chip, Gary und Denise sind lange aus dem Haus und führen ein
mehr oder weniger erfolgreiches Leben an der Ostküste. Fast 50 Jahre ist Enid
mit Al verheiratet, hat sich um ihn, die Kinder und den Haushalt gekümmert,
jetzt will sie noch etwas vom Leben haben und nicht nur neidisch auf ihre
Nachbarinnen und Freundinnen schauen.
Aber Enid schafft es nicht, denn sie ist
überfordert von den Anforderungen des Alltags. Der Haushalt ist kaum zu
bewältigen, das Haus hätte einige Renovierungen nötig, aber darum kann Enid
sich nicht kümmern, denn ihr Problem heißt Al. Seit Al pensioniert ist sitzt
er hauptsächlich in seinem blauen Sessel, der nicht zum Rest der
Wohnungseinrichtung passt, hört regelmäßig die Nachrichten im Radio und
wuselt in seiner Kellerwerkstatt ohne wirklich etwas zu tun. Enid glaubt, Al
müsse sich nur etwas mehr anstrengen, regelmäßig seine Medikamente nehmen und
die Ratschläge des Hausarztes befolgen, dann hätten sie ein schönes Leben.
Dazu gehört auch die geplante
Herbstfarbenkreuzfahrt entlang der Ostküste. Doch während dieses Urlaubs sind
Als gesundheitliche Defizite nicht mehr zu verbergen ....
Enids nächstes Ziel ist daher das
Weihnachtsfest. Ihre drei Kinder sollen alle für die Weihnachtsfeiertage nach
St. Jude kommen, Gary soll auch seine Familie mitbringen, und dann wird es ein
Weihnachtsfest ganz wie früher geben. Aber Chip, Gary und Denise sind so in
ihre eigenen Probleme verstrickt, dass es kaum vorstellbar scheint, dass alle an
Weihnachten zu Hause sein werden.
Chip will Literaturprofessor an einer
Ostküstenuniversität werden, aber wegen eines Verhältnisses mit einer seiner
Studentinnen ist seine Karriere zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat. Eine
neue Chance gibt es für ihn im Internet. Gary ist Abteilungsleiter einer Bank,
ist verheiratet und hat drei Söhne und lebt in einem gepflegten Vorort
Philadelphias. Doch seine Ehe ist Machtkampf pur, die Eheleute sezieren ihre
gegenseitigen Psychosen und setzen die Kinder als Druckmittel ein. Nur Denise
scheint auf der Erfolgsspur. Sie hat eine makellose Karriere als Spitzenköchin
vorzuweisen, doch ihre sexuellen Eskapaden werfen sie aus der Bahn.
Kann es der Familie Lambert gelingen ein
schönes gemeinsames Weihnachtsfest zu verbringen?
Meine Meinung:
Die Korrekturen erschienen in den USA am
10. September 2001 und wurden binnen eines Jahres zu einem literarischen
Welterfolg. Von der Literaturkritik gefeiert, teilweise gar mit den Buddenbrooks
von Thomas Mann verglichen, vom Publikum millionenfach gekauft.
Was ist also dran an diesem Buch?
Zunächst einmal: Der Vergleich mit den Buddenbrooks hinkt völlig, gemeinsam
ist beiden Büchern lediglich, dass es Familiengeschichten sind. Aber anders als
bei Thomas Mann geht es bei Franzen nicht um den Verfall einer Familie, sondern
er seziert die Durchschnittsfamilie der Lamberts.
In einer Fülle von Szenen und
Rückblenden und Rückblenden wird das Familienleben der Lamberts analysiert,
das Kennenlernen der Eltern, die Ehe, das Verhältnis zu den Kindern und die
mehr oder weniger erfolgreichen Versuche der Kinder ihr eigenes Leben
aufzubauen. Hier wird eine Familie in ihre Einzelteile zerlegt unter der
Leitfrage: Kann man einen Lebensentwurf korrigieren? So beherrscht Al
jahrzehntelang Enid mit Vorstellungen vom Leben, am Ende ist er nicht einmal
mehr Herr über den eigenen Körper, und Enid versucht genauso lang ihn und ihre
Kinder von ihrer Sicht des Lebens zu überzeugen. Die Kinder wollen ihren
eigenen Weg gehen, müssen jedoch erkennen, dass sie ihre Wurzeln nicht
verleugnen können.
Wem könnte dieses Buch gefallen?
Nach meiner Meinung allen, die langsam
und genau erzählte Familiengeschichten lieben, die Zeit mitbringen und sich
einlassen wollen. Denn die 780 Seiten brauchen ihre Zeit und sind auch nicht
immer leicht zu lesen. Da ist zum einen die ambitionierte Sprache Franzens, zum
anderen der Inhalt, der wirklich keine leichte Kost ist. Zu lesen wie Al von
seiner Parkinson-Krankheit immer mehr beherrscht wird, sich schließlich von
seinen eigenen Exkrementen verfolgt fühlt, ist oft erschütternd, aber auch auf
eine ganz besondere Art komisch. Die Skurrilität der Ereignisse ließ mich
grinsen, doch das Lachen blieb im Hals stecken. Weil die beschriebenen Dinge so
banal und alltäglich sind, zieht man unversehens den Vergleich zum eigenen
Leben. So vieles scheint man zu kennen und das stimmt nicht gerade fröhlich.
Insgesamt also ein anspruchsvolles und
vielschichtiges Buch. Ich habe es bisher zweimal gelesen und wage nicht zu
behaupten ich hätte es in allen Einzelheiten verstanden. Dennoch hat es mich
tief berührt und ich werde es garantiert noch ein drittes Mal lesen. (Christine)
|
geht es zum Bericht einer
Lesung des Autors aus seinem neusten Roman "Die 27ste Stadt"! |
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)