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Rezension

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Inhalt

Das griechische Geschwisterpaar Desdemona und Lefty Stephanides wächst Anfang des 20. Jahrhunderts in einem abgelegenen Bergdorf Kleinasiens auf. Beide fliehen 1922 vor dem Einmarsch der türkischen Armee und überleben knapp den verheerenden Brand von Smyrna, von wo sie in die USA auswandern. Bruder und Schwester sind heimlich ineinander verliebt und wagen auf der Schiffsreise über den Atlantik, was sie in ihrer Heimat nie getan hätten: Sie heiraten. In ihrer neuen Heimat Detroit schöpft niemand Verdacht, die einzige Mitwisserin schweigt. Die Ehe läuft anfangs gut, wird jedoch bald überschattet von Desdemonas Sorge, die inzestuöse Verbindung könnte kranke Nachkommen hervorbringen. Schon in ihrem Dorf, wo jeder mit jedem verwandt war, hatte es eine Reihe von Kindern gegeben, die irgendwie seltsam gewesen waren. Deshalb verweigert sich Desdemona ihrem Mann nach der Geburt eines gesunden Sohnes. Was sie fürchtet, tritt zwei Generationen später ein und bleibt zunächst unentdeckt. Die Enkelin Calliope, genannt Callie, kommt als Hermaphrodit auf die Welt, ist phänotypisch ein Mädchen, genetisch ein Mann.

Mit Einsetzen der Pubertät verändert sich Callies Äußeres gravierend. Aus dem entzückenden Mädchen wird eine schlaksige junge Frau mit herben Zügen und dunkler Stimmlage. Die ersten aufregenden erotischen Erfahrungen macht sie mit gleichaltrigen Mädchen. Eine ärztliche Notfalluntersuchung fördert ihre anatomische Besonderheit zu Tage. Die sorgenvollen Eltern, die ihre „Tochter“ behalten möchten, bringen ihr Kind zu dem angesehensten Experten auf dem Gebiet der Intersexualität. Nach einer Reihe von demütigenden Untersuchungen, die sie über sich ergehen lassen muss und an deren Ende die Operation zur Frau stehen soll, beschließt Callie abzuhauen, um ihr Leben als Mann weiterführen zu können. Im Rotlichtviertel San Franciscos taucht sie als Cal zunächst in doppeltem Wortsinn unter, trifft erstmals andere ihrer/seiner Art.

Meine Meinung:

Gleich zu Beginn des Romans erfährt man, was es mit der/dem Protagonistin/Protagonisten Besonderes auf sich hat : „Ich wurde zweimal geboren, an einem bemerkenswert smogfreien Januartag 1960 in Detroit und dann, als halbwüchsiger Junge, in einer Notfallambulanz in der Nähe von Petroskey, Michigan, im August 1974.“ Cal Stephanides, der als Kulturattaché in Berlin arbeitet, erzählt seine Geschichte sowie die seiner Großeltern und Eltern selbst. Eugenides lässt ihn zwischen der ersten Person Singular und der dritten wechseln, sodass er allwissender Erzähler sein kann. Humorvoll und unterhaltsam berichtet er chronologisch zum einen von den Erlebnissen seiner griechischen Familie, zum anderen von seiner eigenen Kindheit und Jugend. Beides wird durchbrochen von Schilderungen aus dem Erwachsenenleben. Die Erzählstränge wirken entsprechend unterschiedlich. Während sich die Immigrantengeschichte in farbigen Details ergeht, bleibt die Darstellung der Umwälzungen in Cals Biographie vergleichsweise oberflächlich. Beide Geschichten gehen schließlich ineinander über, was den Eindruck der Zweigeteiltheit des Romans, das Gefühl, man lese eigentlich zwei Bücher, ein wenig abschwächt.

Der Tod der Großmutter und Cals zeitgleiche Rückkehr als heranwachsender Mann, ein Ende und ein Neubeginn, beschließen den Roman, der fast ein Jahrhundert US-amerikanischer Geschichte streift und dessen Grundthema Metamorphosen sind: Desdemonas Seidenraupen wandeln sich zu Schmetterlingen, aus verarmten griechischen Immigranten werden wohlhabende Amerikaner, ein Mädchen entwickelt sich zum Mann und der Glaube an den Schicksalsbegriff griechisch-antiker Prägung wird durch den an die genetische Vorherbestimmtheit des Menschen abgelöst. (© Fevvers 2003)

Bewertung: ***

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: Jeffrey Eugenides, Middlesex, übersetzt v. Eike Schönfeld, Rowohlt 2003, 734 S., 24,90 €

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 04.11.2003, letzte Änderung am 05.11.2003, Layout by abrakan