Inhalt:
Der Schriftsteller Gabriel Noone
lebt mit seinem Freund Jess in San Francisco in einer glücklichen
Beziehung. Glücklich, bis Jess auszieht. Für Gabriel unverhofft,
doch wenn er es sich recht eingesteht, hat es sich schon vorher
angekündigt und er hat nur die Augen davor verschlossen. Mitten
hinein in seine Einsamkeit flattert ein Manuskript eines Buches,
was demnächst veröffentlicht werden soll. Der Autor ist Pete,
ein dreizehnjähriger Junge, der in seiner Kindheit von seinen
eigenen Eltern missbraucht wurde und nun bei seiner Adoptivmutter
Donna lebt. Gabriel ist schwer beeindruckt von dem Buch und es
entwickelt sich ein telefonischer Kontakt zwischen dem einsamen,
verwundeten und verlassenen Gabriel und dem Jungen, auch wenn es
vielleicht nicht immer so bleiben kann, denn Zweifel keimen in
Gabriel auf...
Meine Meinung:
Volltreffer! Dass Maupin erzählen
kann, ist wohl kein Geheimnis mehr. Hier beweist er es einmal
mehr. Selten habe ich mich in einer Geschichte so zu Hause
gefühlt wie in dieser. Würde man mich nach dem Grund dafür
fragen, so könnte ich ihn nicht benennen, denn eigentlich hat das
Leben der Figuren aus diesem Roman nichts, aber auch rein gar
nichts, mit dem meinigen zu tun. Und dennoch sind die
beschriebenen Gefühle so ehrlich und dadurch so menschlich, dass
man versteht - einfach versteht und diese Menschen lieb hat. Ob
sie sich mit Personen aus dem eigenen Leben decken oder wie bei
mir sich in einer völlig anderen Welt bewegen, spielt dabei wohl
keine Rolle.
Diese Geschichte, die nah an
etwas von Armistead Maupin Selbsterlebtes anschließt, ist absurd.
So absurd, wie nur das Leben sein kann. Der Autor zeigt auf, wie
Liebe sein kann und was uns daran oft hindert, so zu lieben:
Unsere Menschlichkeit, die uns angeborenen Zweifel und
Vorstellungen von der Wirklichkeit und der Unendlichkeit.
Mit der Wirklichkeit insbesondere
wird hier mächtig gespielt. Erst meinte ich genau zu wissen, wie
es ist und was passieren wird. Aber mehr als einmal musste ich
mich korrigieren... mein ganzes Bild im Kopf neu malen, wie auch
Gabriel Noone es tut, wenn er sich das Leben des Jungen ausmalt,
den er noch nie gesehen hat und auch vielleicht nie sehen wird.
Und zum Ende hin vermischt sich die Realität immer mehr mit der
Phantasie, wobei deutlich wird, wie wenig wir Menschen wirklich
wissen und wie viel wir selbst malen und wie unterschiedlich unser
aller Bilder aussehen. Und auch, dass es eigentlich letztendlich
sogar egal ist, solange es uns hilft glücklich zu sein und zu
lieben.
Auch für die Toleranz tut dieses
Buch sehr viel. Die Selbstverständlichkeit, mit der Maupin über
diese homosexuelle Beziehung schreibt, finde ich klasse. Er lässt
an keiner Stelle durchblicken, dass es etwas anderes ist, über
eine homosexuelle Beziehung zu schreiben als über eine
heterosexuelle, wo auf dem Gebiet schon lange so manch ein Autor
versteht, viel Erotik und Sinnlichkeit mit hineinzubringen.
Armistead Maupin scheint gar nicht einzusehen, es anders zu halten
- ich finde es goldrichtig und wunderbar gelungen!
Sehr traurig war ich, als das
Buch zu Ende war. Mit Wissbegierde habe ich das Nachwort gelesen,
denn die Hintergründe zu diesem Buch laden zum Forschen ein, da
Überschneidungen aus diesem Roman mit Maupins Leben nicht übersehbar
sind. Auch hier gilt: Was ist nun Wirklichkeit? Und ist es
letztendlich so wichtig oder sollte man nicht einfach glücklich
mit dem Ende sein. Denn das, kann sich jeder selbst ausmalen, die
Vorlagen sind alle da, aber das Bild entsteht in uns selbst. Das
Ende hat mich jedenfalls noch als Tüpfelchen auf dem „i" köstlich
amüsiert. Und der Autor hat seinen Elefanten wunderbar geschmückt,
ich habe ihn mir gern angesehen! (Anm.: Das mit dem Elefanten wird
wohl jeden zum Schmunzeln bringen, der das Buch gelesen hat und
allen anderen kann ich nur empfehlen es zu lesen, sie werden dann
an der ein oder anderen Stelle über diesen Satz denken und sicher
schmunzeln).
Hoffentlich lässt sich Armistead
Maupin nicht so viel Zeit bis zum nächsten Buch wie er nach den Stadtgeschichten
für dieses gebraucht hat. Er macht süchtig! (Petra)
Meine Meinung:
Maupins
"Stadtgeschichten" gehören zu meinen absoluten
Lieblingsbüchern. Auf "Der nächtliche Lauscher"
hab' ich mich daher einerseits sehr gefreut - endlich mal wieder
etwas neues von Maupin! -, war andererseits aber auch sehr
skeptisch. Eine Leseenttäuschung ist nach einem richtig tollen
Buch schließlich nicht unwahrscheinlich, vor allem, wenn der
Autor so lange nichts geschrieben bzw. veröffentlicht hat
(vielleicht nur eine Eintagsfliege?). Beinahe hätte ich das Buch
deshalb gar nicht gelesen, was wirklich schade gewesen wäre!
Wie zu erwarten war, kommt es
zwar an die "Stadtgeschichten" meiner Meinung nach nicht
ran, aber Maupins Erzählstil nimmt einen bereits auf der ersten
Seite gefangen. Gabriel Noone wächst einem sofort ans Herz, und
man leidet und freut sich mit ihm und mag sich am Ende gar nicht
mehr von ihm verabschieden. Einzig die Rückblenden in seine
Vergangenheit sind manchmal etwas langatmig, aber alles in allem
ist "Der nächtliche Lauscher" ein sehr berührendes und
bis zu seinem überraschenden Ende spannendes Buch mit stark
autobiographischem Charakter.
Wie Petra schon geschrieben hat:
Maupin macht süchtig! Dieses, wie auch seine anderen Bücher
(neben den "Stadtgeschichten" noch "Die
Kleine"), kann ich unbedingt empfehlen! (© Anja L. 2002)
Bewertung: ****
(Beide)
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 352 Seiten, Hardcover,
Rohwolt Verlag, 19,90 €
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