Inhalt:
Die junger Germanistin Julia Völcker zieht für ein Jahr auf eine kleine Insel in der Ostsee, direkt neben der
großen Insel. Vermutlich ist es Hiddensee, der Name wird im Text nicht genannt. Dort soll sie für ein
Forschungsprojekt den Nachlass des vergessenen Dichters Hansjörg Ladestein sichten und katalogisieren. Ein
vergessener Dichter passt zu Julia, denn auch sie möchte auf der Insel vergessen, besonders ihre
unglückliche Beziehung zu einem ziemlich unmöglichen Harald aus Bottrop. Obwohl Julia als westdeutsche
Großstadtpflanze drei Jahre nach der Wende ganz anders ist als die Einheimischen, wird sie schnell
akzeptiert. Sie fragt nicht viel, sie macht ihre Arbeit und ihre Hilfe bei einer Rettungsaktion für ein Pferd
verschafft ihr Anerkennung.
Kurzum: Julia fühlte sich wohl auf der Insel, sie erträgt auch den langen, einsamen Winter gut. Schließlich ist
da noch der Tierarzt Hanno Minarek. Doch Hanno ist nicht wohlgelitten auf der Insel, er galt als zu angepasst
vor der Wende und sein Einsatz für den Naturschutz ist vielen ein Dorn im Auge. Aber Julia glaubt an diese
Liebe.
Meine Meinung:
Das ist kein spektakuläres Buch, es ist vielmehr eine langsam und eindringlich erzählte Geschichte. Julia
Völcker, die Hauptperson, ist keine strahlende Heldin, sondern eine junge, unsichere Frau auf der Suche nach
sich selbst und ihrem Platz im Leben. Bislang hat sie sich herumschubsen lassen, sei es von ihren Eltern oder
ihrem Ex-Freund, jetzt lernt sie auf eigenen Füßen zu stehen und eine Aufgabe alleine zu bewältigen.
Strahlende Helden gibt es in diesem Buch ohnehin keine, wenige Jahre nach der Wende hast im Osten
niemand eine glatte Biographie, und die, die gut klar kommen, wie Hanno Minarek, werden argwöhnisch
beäugt. Alle Personen sind jedoch liebevoll und genau gezeichnet, da gibt es skurrile Inseloriginale,
gescheiterte Existenzen, diejenigen, die auf bessere Zeiten hoffen und natürlich die bösen Wessi-Investoren.
Noch gelungener als die Personenbeschreibungen fand ich die Schilderungen der Natur, man kann das Meer
förmlich riechen und das Wetter spüren und der Wechsel der Jahreszeiten wird plastisch. Hier liegt für mich
eine Stärke des Buches.
Viele Figuren bevölkern diesen Roman und sie bringen viele Themen mit. Das ist für mich auch
der Schwachpunkt dieses Buches, es werden zu viele Themen bloß angeschnitten aber nicht bis zum
Ende verfolgt. Dazu gehören Konflikte zwischen Deutschen aus Ost und West, Stasivergangenheit
und Nazidiktatur. Das wirkte auf mich wie einfach hingeworfen, vielleicht weil es bei Handlungsort und Zeit
dazugehört. Aber mir fehlte die Tiefe, die Autorin hätte mehr aus den Themen machen können. Genauso ist
es mit dem schwierigen Verhältnis von Julia zu ihren Eltern. Es wird angesprochen, aber es bringt die
Geschichte nicht weiter. Auch das Ende kommt sehr plötzlich, fast mit einem Showdown wird die Geschichte
beendet. Immerhin stimmt es hoffnungsvoll und es bleibt ein überwiegend positiver Eindruck. (Christine)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos:
Erschienen 2005 bei btb,
Taschenbuch-Ausgabe, 340 Seiten, 9,00
€
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