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Rezension

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Inhalt

Viktor Lesotarew, ehemals talentierter Nekrologschreiber einer Kiewer Tageszeitung mit unheilvoller Verbindung zur organisierten Kriminalität (s. Bd. 1: „Picknick auf dem Eis“), betritt wieder den Boden Kiews. Es ist eine einsame Rückkehr. Er sehnt sich nach seinem früheren Leben zurück, obwohl dieses ihm mit Freundin Nina und Pflegetochter Sonja lediglich eine Scheinnormalität zu bieten gehabt hatte. Sein engster Freund war der melancholische Pinguin Mischa gewesen, an dessen Stelle Viktor auf der Flucht vor der Mafia zu einer antarktischen Forschungsstation gereist war. Doch das Tier ist aus einer Tierklinik entführt worden und nun spurlos verschwunden.

Zurück in der Ukraine gerät Viktor zunächst in den Wahlkampf - nein: Wahlkrieg - des Abgeordneten in spe Sergej Pawlowitsch hinein und wird von diesem kaserniert, um Erfolg versprechende Wahlprogramme zu entwerfen. Aber Viktor lässt nicht ab von der Suche nach dem Pinguin , auch wenn diese ihn unweigerlich hineinführt in die von Mafiabossen und Warlords geschaffenen „Parallelwelten“ aus Verbrechen, Gewalt und Tod. Denn bei allem gilt das „Gesetz der Schnecke“: Ohne ein größeres Haus, das dich schützend umgibt, bist du hilf- und wehrlos.

Meine Meinung:

Nicht nur der Pinguin Mischa, sondern auch Viktor sei ein „Kollektivtier“, so der Autor, und jeder auf seine Art ein „Emigrant der Einsamkeit“. Beiden sei ihre Heimat abhanden gekommen, aber anders als der ehemalige Sowjetmensch habe das Tier immerhin noch eine geographische.1

Und diese versucht Viktor, der sich in den neuen Verhältnissen nicht mehr zurecht findet, dem Pinguin zurückzugeben, während sein eigenes Leben einfach geschieht. Er selbst lässt sich treiben, beruflich wie in der Liebe. Einzig die Suche nach Mischa-Pinguin betreibt er mit stiller Zähigkeit. Trotz wiederholter lebensbedrohlicher Situationen, in die er mit der für ihn typischen Naivität gerät, bleibt Viktor lange Zeit orientierungslos und schicksalsergeben inmitten einer aufgeregten, sich politisch im Umbruch befindlichen Welt.

Dazu passt der ruhige Erzählfluss des Romans mit hier und da aufblitzendem verhaltenem Humor eigentlich gut. Kurkow strapaziert ihn jedoch über. Genauso knapp wie sein Held seinen Häschern entkommt, schrammt er damit an der einsetzenden Langeweile seiner LeserInnen vorbei. Diese werden letztlich durch die Pinguinsuche bei der Stange gehalten. Was mag mit Mischa geschehen sein? Das fragt man sich über 200 Seiten lang, dafür reist man sogar mit Viktor von Kiew über Moskau ins kriegsumtoste Tschetschenien, was nach der sich manchmal wie Kaugummi ziehenden Wahlkampfgeschichte ein schier unglaubliches, aber auch ausgesprochen brutales Abenteuer darstellt. Die Romanhandlung wird endlich aus ihrer Trägheit heraus gerissen, die ermüdeten Augenlider schnellen nach oben. Und es bleibt die Hoffnung, dass doch noch alles gut werden möge. Irgendwie. (© Fevvers 2004)

1 Interview mit Andrej Kurkow auf dem „Blauen Sofa“, Frankfurter Buchmesse 2003.

Bewertung: ***

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: Andrej Kurkow, Pinguine frieren nicht, Diogenes 2003, 22,90 €.

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 20.12.2003, letzte Änderung am 16.03.2004, Layout by abrakan