Inhalt:
Niederlande, Mitte der 1990-er.
Lex Grol, 30-jähriger arbeitsloser Geschichtslehrer, erhält von
seinem ehemaligen Professor überraschend den Auftrag, an einem
Buch über die letzte Zarenfamilie mitzuwirken. Schon seit seiner
Schulzeit hatte Lex sich für die Geschichte der letzten Romanows
interessiert - vor allem, weil ihn mit dem Zarewitsch Alexej die
gleiche Krankengeschichte verbindet: die Bluterkrankheit. Diese
Diagnose bedeutete zu Beginn des Jahrhunderts noch einen nahezu
sicheren frühen Tod, da schon der kleinste Knuff oder Stoß zu
nicht gerinnenden inneren Blutungen führen konnte. Entsprechend
behütet und stets von Argusaugen bewacht wuchs der russische Thronfolger
auf.
Auch wenn die Bluterkrankheit
heute mit Medikamenten behandelt werden kann, bestimmt sie dennoch
das Leben von Lex nachhaltig: Er entwickelte sich zum Einzelgänger
und lebt in einer Phantasiewelt, in der die Romanows zu einer Art
von Ersatzfamilie für ihn geworden sind.
Bei den Recherchen zu dem Buch stößt
Lex auf eine Reihe historischer Texte, die erst seit Beginn der
Perestroika nach und nach wieder zugänglich gemacht wurden und
teilweise neue Erkenntnisse über die Ermordung der Zarenfamilie
im Jahr 1918 enthalten. Hier findet Lex schließlich sogar eine mögliche
Verbindung zwischen den Romanows und seiner aus Russland
stammenden Mutter, die als Kind von einem niederländischen Paar
adoptiert wurde.
Meine Meinung:
Dieser Roman verknüpft Realität
und Phantasie auf eine einmalige Weise miteinander. Die Grenzen
sind fließend - welche Details über die Zarenfamilie nun
historisch belegt und welche in das Reich der Phantasie zu
verweisen sind, ist wahrscheinlich nur von einem
"Romanow-Kenner" genau zu unterscheiden. Auch bei den in
der Gegenwart agierenden Hauptfiguren des Romans gehen Realität
und Wunschdenken Hand in Hand. Das tut dem Ganzen aber keinen
Abbruch - im Gegenteil. Gerade das Spiel mit Vergangenheit und
Gegenwart, Phantasie und Wirklichkeit macht das Buch zu einem
besonderen Lese-Erlebnis.
Zitat: "Hier ist ... ein
Treffpunkt für Geister, ein Verschiebebahnhof für Lebende und
Tote. Man hört das Rascheln seidener Kleider, das Knarren von
Knopfstiefeletten, unterdrücktes Lachen derjenigen, die vor dem
Schlafengehen noch Verstecken spielen."
Dieses Buch ist ein Plädoyer für
die Phantasie, in der alles möglich wird und in der wir alle das
sein können, was wir am liebsten gern wären. Aber gleichzeitig
auch eine Mahnung, nicht all zu sehr mit der Wirklichkeit zu
brechen - die letztlich sogar schöner sein kann, als jede
Phantasie ...
Fazit: Dies ist kein historisch
fundiertes Buch über die Romanows und wer ein solches erwartet,
wird bestimmt enttäuscht werden. Wer aber Lust auf einen
"etwas anderen" Roman hat und sich auf die
Gedankenspiele der Hauptfigur einläßt, kann hier bestimmt auf
seine Kosten kommen. (Monika)
Bewertung: ****
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: TB, Knaur, 313 Seiten, 8,90
€, ISBN 3-426-61123-6
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