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Rezension

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Inhalt:

Quoyle, Mitte 30, steht auf der Verliererseite: er ist unbeholfen, schüchtern, massig und unattraktiv. Als Petal, seine Frau, ihn verlässt und kurz darauf bei einem Autounfall ums Leben kommt, steht er allein da mit seinen beiden Töchtern. Da erhält er Besuch von seiner Tante, die ihn überredet, mit nach Neufundland zu kommen, wo seine Wurzeln liegen. Da er sonst ohne Perspektive ist, folgt er ihr und findet dort zu sich selbst und entwickelt ganz langsam Selbstvertrauen...

Meine Meinung:

Zu diesem Buch möchte ich zwei Dinge ganz deutlich sagen: Erstens, es ist eine sehr leise und gemächlich erzählte Geschichte. Und zweitens: Es ist ein ganz besonderes Buch! Das erste muss man wissen, um das zweite würdigen zu können. Quoyle braucht Zeit und dieses Buch somit auch.

Sich diese zu nehmen lohnt jedoch sehr. Selten wurde eine Erzählung in solch intensiven Bildern gemalt. Das ist E. Annie Proulx’ Sprache zu verdanken, die einzig und großartig ist. Manche Szenen reduziert sie nicht nur auf einen Satz, sondern zudem diesen auf die nötigsten Worte. So kommt es vor, dass Quoyle sich einem Menschen gegenübersieht, dem er die Hand schüttelt und der Leser dies nur mit „dünn, feucht, heiß.“ geschildert bekommt. Solcherlei minimalistische Beschreibungen in die Handlung eingestreut, erzeugen ein sehr intensives Gefühl. Man meint selbst einem dünnen Menschen, dem man gegenübersteht, die dünne, feuchte, heiße Hand zu schütteln.

Besonders wirksam werden Annie Proulx’ sparsame Schilderungen, wenn sie das Meer Neufundlands beschreibt. Nie habe ich so deutlich wie hier das Salz auf den Lippen geschmeckt, die Gewaltigkeit des wellenschlagenden Wassers und die Gnadenlosigkeit eines tobenden Meeres gespürt. Ihre kargen Beschreibungen sind derartig intensiv und präzise – einfach außergewöhnlich und brillant!

Schroff wie die Landschaft Neufundlands ist auch der Umgang der Menschen dort miteinander. Aber echt und herzlich. Annie Proulx macht nicht den Fehler, einfachen Menschen klug formulierte Sätze in den Mund zu legen. Sie bleibt absolut authentisch, in allem, was sie beschreibt. So entsteht ein blau-grün-graues Bild Neufundlands vor dem inneren Auge und die Figuren – allen voran Quoyle – erhalten eine urwüchsige, grundnatürliche Aura.

Wie lebensnah Annie Proulx versteht zu erzählen, zeigt auch ihr gelegentlich zum Zuge kommender Humor. Ja – man sollte es nicht glauben, aber der ist durchaus vorhanden. Und auch hier in sehr origineller, intelligenter Form – ohne dadurch im Gegensatz zu den einfachen Leuten zu stehen, die hier agieren. Und nicht selten verkümmert das Lachen dem Leser im Halse, wenn ihm klar wird, wie traurig so manches – aus Quoyles Sicht – eigentlich ist.

Quolyes Entwicklung zu verfolgen, hat mich sehr beeindruckt, trotz oder gerade wegen der leisen Töne. Das Buch strahlt eine unendliche Ruhe aus und obwohl nicht viel spektakuläres passiert, hat man das Gefühl, hier – in Neufundland mit Quoyle – genau richtig zu sein und man wünschte sich, diesen Ort und diese Menschen nie verlassen zu müssen.

Anmerkung: Sehr gefallen hat mir auch, dass jedem Kapitel eine Beschreibung aus dem Ashley-Buch der Knoten oder eine andere Seemannsweisheiten vorausgeht. Diese kleinen Passagen sind stets mit dem Inhalt des folgenden Kapitels verknüpft und stimmen darauf ein. (Petra)

Bewertung: **** 

( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)

Infos: 392 Seiten, Taschenbuch-Ausgabe, Fischer Verlag, 9,90 €

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 01.11.2006, letzte Änderung am 29.11.2006, Layout by abrakan