Inhalt:
Es gibt Bücher, die sind etwas
ganz Besonderes; wie eine Perle, wie ein Stern, wir werden tief
berührt, emporgehoben zwischen Lachen und Weinen. Ich habe mir
das Buch nur auf Empfehlung gewünscht und hatte keine Ahnung, was
mich erwartet. Aber schon als ich es in der Hand hielt, durchblätterte,
den Klappentext las, fühlte ich Sympathie. Es gibt nicht viele Bücher,
mit denen es mir von Anfang an so geht. "Das Sonnenkind"
hielt, was es versprach, es ist das beste Buch, das ich 2001
gelesen habe. Ich bin froh, dass Detlev Meyer, obwohl er in diesem
Buch seine eigene Kindheit reflektiert, sich für einen Roman
entschieden hat. Ich denke, dadurch war er freier im Gestalten,
Weglassen, Träumen... Das Buch ist eben mehr als Erinnerungen an
die eigene Kindheit, es ist ein literarisches Kunstwerk, ein
Geschenk zum Abschied.
Ich habe mir erst beim lesen klargemacht, dass Detlev Meyer schon
todkrank war, als er das Buch schrieb und als es erschien, war er
nicht mehr. Oft sind Klappentexte nichtssagend, eine
Minibeschreibung, versprechen mehr, als sie halten können. Dieser
hier nicht, er drückt besser aus als ich es kann, wie das Buch
ist. Deswegen stelle ich ihn als ein Teil dessen, wie ich das Buch
empfand, hier rein.
Klappentext / Meine Meinung:
-"Dieser kleine leichte
Roman läßt eine vergangene Zeit, eine untergegangene Welt
wiederaufleben. Die Zeit umfaßt einige Monate um das Jahr 1960,
die Koordinaten dieser Welt heißen Truseweg und Neukölner
Schiffahrtskanal. Im Zentrum des geschilderten Kosmos steht der
neunjährige Carsten Scholze, das Alter ego des Autors, ein
aufgewecktes Kind mit ausgeprägtem schauspielerischem Talent, das
im ganzen Truseweg beliebt ist - ein richtiges
"Sonnenkind". Gehätschelt von denEltern, von Großmutter
und Tanten und selbst vom großen Bruder, ist seine wichtigste
Bezugsperson jedoch der GroßvaterMax Wollin. Der alternde
Lebemann, der in seiner ehemaligen Sekretärin, eine
"ramponierten Blondine", seit mehralsdreißig Jahren
eine offizielle Zweitgattin hat, nimmt den Enkel auf seine Ausflüge
in die feine Welt des Cafe Kranzler mit. Aus der Sicht des Jungen
werden traurige und komische Schicksale aus der Nachbarschaft des
Trusewegs geschildert. Siezeigen, dass das Leben auch in diesem
Sträßchen die ganze Spannweite menschlicher Erfahrung ausmißt.
In dieser kleinen Welt wird geliebt, gehaßt und auch gestorben -
genau wie in der großen.
Detlev Meyer hat ein
federleichtes Buch geschrieben, bezaubernd und wehmütig, wie nur
er es konnte. In seinen letztenLebensmonaten hat er sich an das
Kind erinnert, das er einmal war, um der intensivsten Momente des
Glücks und der Geborgenheit zu gedenken. So ist "Das
Sonnenkind" ein rührender Abgesang auf das Leben insgesamt:
Ohne dass auf den nahen Tod des Autors Bezug genommen wird, spürt
man, dass dieser heiter-melancholische Text für Meyer das war,
was für den alten Max Wollin die letzte Liebesnacht mit seiner
"zweiten Gattin" ist - seine
Abschiedsvorstellung."-
Detlev Meyer wurde 1950 in Berlin geboren, studierte Bibliotheks-
und Informationswissenschaften in Berlin und Cleveland, Ohio, war
Bibliothekar in Toronto und Entwicklungshelfer in Jamaika. Er
lebte als freier Autor in Berlin, wo er am 30.10.1999 an Aids
starb.
Ich bin echt traurig, dass Detlev Meyer so bald starb und es tut
mir echt leid, dass er nicht so bekannt ist, wie manche andere.
Denn er schreibt wirklich gut und ich weiß jetzt schon, dass ich
seine autobiographischen Romane, in denen er ein Bild seines
schwulen Lebens zeichnet, lesen werde.
Für das Sonnenkind wünsche ich mir natürlich noch viele Leser.
Mich hat das Buch berührt und begeistert, es gehört für mich in
die Sparte "Herzbücher", ein Buch, das ich nie
vergessen werde. (Ajda)
Meine Meinung:
Kennt Ihr Carsten? Carsten ist
neun, wohnt im Berliner Stadtteil Neu-Kölln im Truseweg, und er
weiß ganz genau, wenn er eines Tages erwachsen ist, wird er alles
wissen, was man wissen muss (Ich zitiere: Wie viele Berge es auf
der Erde gibt, wie hoch die sind und wie sie heißen; die Länge
der Flüsse, und wo sie entspringen; die Hauptstädte aller Länder
und alle Länder wird er nennen können; die Präsidenten und
Bundeskanzler; Oma zur Freude die Könige und Kaiser und für
Papa, wer in Bern die Tore geschossen und wann Toni Turek
Geburtstag hat). So ähnlich beginnt der Roman "Das
Sonnenkind" von Detlev Meyer, der einen Sommer des Jahres
1960 wiedergibt, und schon haben wir einen kleinen Eindruck von
Carsten: er ist neugierig auf die Welt und sehr aufgeweckt,
manchmal recht altklug, aber dank seines freundlichen Wesens wird
ihm das von allen Anwohnern des Truseweges und von seiner Familie
gerne verziehen. Der Truseweg ist klein - es gibt nur ein paar
Mietshäuser und die kleine Kneipe an der Ecke - daher kennt
Carsten alle Nachbarn, weiß fast alles über sie. Auch seine
Familie ist überschaubar, im Truseweg 2 lebt er mit den Eltern,
Großeltern und seinem großen Bruder. Mit besonderer Liebe hängt
er an seinem Opa, Max Wollin. Der macht mit ihm Spaziergänge am
Schifffahrtskanal, geht mit ihm ins "Kranzler" - dort
darf Carsten wie ein Großer aus einem Cognacschwenker trinken,
natürlich nur Sinalco **g**, und ab und zu spendiert der alte
Wollin seinem Enkel eine Taxifahrt. Wenn Carsten nicht mit dem Großvater
unterwegs ist, erforscht er die nähere Umgebung
"seiner" Straße, er schaut bei Dreharbeiten zu; er
erlebt, wie sein Bruder einen Hund aus dem Kanal rettet; er unterhält
sich ernsthaft, wie es nur ein 9jähriger, altkluger Bengel kann,
mit den Nachbarn. Am liebsten würde Carsten die Zeit festhalten,
er ist ein glücklicher, kleiner Junge. Das Glück wird getrübt,
als eines Tages der Großvater erkrankt und sich zu verändern
beginnt, für den kleinen Carsten unerklärlich...........
In diesem Roman existiert sie
noch, die heile Welt, auch wenn der Großvater Max zum Beispiel
schon seit Jahrzehnten neben seiner Angetrauten ein Verhältnis
mit seiner ehemaligen Sekretärin hat; oder Eduardo, einer der
Nachbarn, Carstens Mutter anbaggert (wie wir heute sagen **g**).
Die Familie und Umgebung Carstens wird liebevoll von Meyer
beschrieben, hauptsächlich aus der Sicht des Jungen, in einem
wundervoll leichten Ton, wie ich finde. Ich habe Euch nur ein paar
Szenen aus dem Buch aufgezeigt, aber ich fand es RUNDUM
lesenswert, habe wieder mal gelächelt und auch geschluckt. Es ist
ein bisschen "Zimthaus" von Bjarne Reuter, hat was von Kästners
Kinderromanen oder auch von Falladas Romanen "Damals bei uns
daheim" oder "Heute bei uns zu Haus". Ich gebe zu,
Fallada und Kästner kamen mir erst in den Sinn, nachdem ich eine
Rezension übers "Sonnenkind" gelesen habe, mir
daraufhin "meinen" Fallada (einer meiner Lieblinge!!)
noch mal angeschaut und durchgeblättert habe, und gemerkt habe:
Ja, das ist der Ton, den ich bei Fallada so geliebt habe und den
ich hier im Roman wiedergefunden habe. (gertie)
Bewertung: **** (Gertie)
Bewertung: **** (Ajda)
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: Aufbau-Verlag, HC, 188
Seiten, 32,90 DM
|