Stevens dient seit mehr als dreißig Jahren auf Darlington
Hall. Pflichteifrig, dienstbeflissen und immer nur auf das Wohl
des Hausherren bedacht. Nicht einmal eine wirklich eigene Meinung
über die Vorgänge im Hause gesteht er sich zu. Er lebt und atmet
durch das Leben des Lords und der Hausgäste, politischen Größen
vor und während des Dritten Reichs.
Der Brief einer ehemaligen Angestellten, Miss Kenton, und die
Reisepläne der derzeitigen Dienstherrn bilden den Anlass für
Stevens, jetzt, im Jahre 1956, auf sein Leben zurück zu blicken.
Er bricht zu einer privaten Reise zu dieser Frau und zu sich
selbst auf. Erst auf dieser Reise stellt er fest, was ihm in
seinem Leben entgangen ist.
Meine Meinung
Die ersten Worte sind gelesen und schon hatte ich das Bild des
echten britischen Butlers vor mir. Hudson der Butler des Hauses am
Eaton Place, der Innbegriff eines Butlers aus meiner frühen
Fernsehzeit. Der distanzierte Schreibstil verstärkt diesen
Eindruck. Der Butler hier: Stevens - ohne Vorname - ist die
Hauptperson, jemand, der niemals an sich denkt, nur an seine
Berufsehre und an das was gut für das Haus und den Hausherren ist
- und an seine Würde.
Die Schilderungen einiger wesentlicher Begebenheiten und
Anekdoten aus seinem Leben, oder auch dem Leben seiner Vorbilder,
machen dem Leser, mehr als ihm, klar, dass es eigentlich nicht
sein eigenes Leben war, dass er gelebt hat. Seine Bedürfnisse
standen immer im Hintergrund und wurden größtenteils nicht
einmal von ihm erkannt.
Geschichtlich aufschlussreich sind die Rückblicke in die Zeit
des Dritten Reichs, aus der Sicht eines kleineren englischen
Adligen mit politischen Ambitionen und seines Butlers.
Menschlich gesehen ist die Beinahe-Liebesgeschichte zwischen
Stevens und Miss Kenton, viel anrührender.
Mit diesem Buch ist es zum ersten Mal gelungen, dass mich eine
distanziert geschilderte Geschichte sehr betroffen gemacht hat.
Beschäftigt hat mich, wie Stevens es immer wieder schafft auch
vor sich selbst zu begründen, dass es notwendig war keine
Gefühle zu zeigen, oder selbst eine Meinung
zu haben. Ich denke er war sogar sicher, dass er niemals
wirklich Gefühle hatte oder sie ihm zugestanden hätten.
Schon allein der Umgang zwischen seinem Vater und ihm, ist
schaurig zu lesen. Diese Art der Distanz ist für mich
unvorstellbar. Jedoch soll es im Jahrgang meiner Eltern (um 1930)
immer noch Kinder gegeben haben, die auch ihre Eltern gesiezt
haben und damit eine ähnliche Distanz erlebt haben.
Die zarten Annährungsversuche von Miss Kenton, die er gar
nicht wahrnimmt sind ebenfalls eine sprachliche Meisterleistung.
Eine traurige, distanzierte Liebesgeschichte mit
geschichtlichen Einsprengseln aus einer interessanten Zeit.
Aufschlussreich ist sicherlich auch, dass es ein Japaner ist,
der dieses Buch geschrieben hat - und kein Brite.