Ein
ungeschickte Schachzug beim Aufstand gegen den Zaren, und der Khan
der Aufständischen wird gefangen gesetzt. Um sich und seine
Mitstreiter befreien zu können, muss er auf den Handel mit dem
Hauptmann eingehen, er muss dem Zaren seinen ältesten Sohn als
Geisel übergeben.
Seine Frau ist
jedoch nicht bereit ihren Lieblingssohn auszuliefern, da keine
weiteren Söhne mehr leben, wird Schirin, die schon immer
unangenehm aufgefallen ist, weil sie sich nicht in ihre Rolle fügen
wollte, als Geisel ausgeliefert. Sie wird prächtig herausgeputzt
und unter dem Namen ihres verstorbenen Bruders zum Zaren
geschickt.
Für Schirin
beginnt ein aufregendes gefährliches Leben. Zusammen mit anderen
Geiseln tritt sie in die Armee des Zaren ein und muss sich im
Kampf bewähren, sollte jedoch jemand erkennen, dass sie kein Mann
ist, wird die Rache furchtbar ausfallen, denn noch bewegen
wir uns in einer Zeit, da es gotteslästerlich ist, sein
Geschlecht zu verleugnen und hier wurde der Zar betrogen. Ein
wertloses Mädchen garantiert nämlich nicht für dass
Wohlverhalten des Stammes, so wie es eine männliche Geisel getan
hätte.
Schirins
vorheriger Lebenswandel ist hilfreich, weil sie nicht gerade
ungeschickt mit dem Schwert umgehen kann und auch sonst nicht
gerade weichlich veranlagt ist. Sie weiß nur, dass sie ständig
auf der Hut sein muss, denn Frauen unterscheiden sich nicht nur
durch ihre Statur von Männern und das Zusammenleben auf engstem
Raum lässt wenig Freiraum.
Als sie langsam
auch noch erkennt, dass Sergej, ein ehemaliger Bewacher und späterer
Vorgesetzter, ihr nicht gleichgültig ist, bahnen sich noch
mehr Probleme an.
Meine
Meinung:
Schon wieder
eine Hosenrolle, und dann auch noch in Russland? Skepsis beschlich
mich, als ich hörte, wovon der neueste Iny Lorentz handelt. Aber
so ging es mir auch mit der Kastratin,
die mir gefallen hat, obwohl ich einige Vorbehalte gegen Musiker
und Sängergeschichten hatte. Also landete das Buch in meiner
Einkaufstasche. Ich habe es nicht bereut.
Trotz trockener
Steppe, knurriger Tataren und einer vorwiegenden Männergesellschaft
zog mich die Geschichte in ihren Bann. Die Menschen werden glaubwürdig,
besonders Schirin, die Heldin, kann man sich gut vorstellen, wie
gewohnt sind jedoch auch die Nebenfiguren ausführlich beschrieben
und menschlich. Auch die Personen der Zeitgeschichte, Menschikow, Zar
Peter des Großen, die spätere Katharina I., deren Karriere von
der Bäuerin über die Geliebte zur Zarin geradezu spektakulär
wirkt, erhalten Gesichter.
Und städtebaulich
habe ich auch dazu gelernt. Das
St. Petersburg nicht immer in der Pracht erstrahlte, sondern unter
Schwierigkeiten aufgebaut wurde, leuchtete mir erst nach diesem
Buch ein.
Der Krieg mit
den Schweden, weiß Gott nicht gerade ein Frauenthema, die
Geografie Russlands und die Schlachten werden durch Schirins
Blickwinkel erträglich, fesselnd und vorstellbar.
Die
Situationen, aus denen sich die Protagonistin winden muss, sind
gut konstruiert. Man stelle sich vor: ein Ritt durch die Steppe,
verschwitzt, müde und schmutzig erreicht man das Lager – ein
Bad ist angesagt – und natürlich gehen die Männer zusammen …
-
Wie Schirin
sich in diesen Situation retten kann, lese man doch besser selbst.
Ihre Entwicklung ist zwar konstruiert, aber glaubhaft und vor
allem unterhaltsam. Wie in den anderen Lorentz-Romanen sind es die
Details, die hier die Stimmung heraufbeschwören und den Zauber
des Buches ausmachen.
Ein weiterer fesselnder
Roman aus der Feder von Iny Lorentz, der jedoch für mich nicht an
die Wanderhure heranreicht,
weil mich Krieg und Russland nicht in dem Maße faszinieren
konnte, wie das Schicksal einer verleumdeten Frau. (Binchen,
März 2005)
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Hoerbuecher4um. |