Inhalt:
1924 folgt der neunjährige Walt
Rawley dem Juden Meister Yehudi von St. Louis nach Kansas, um die
Kunst des Fliegens zu erlernen.
Zwar ist Walt ein mißtrauischer
Junge aus der Gosse, der seinen Unglauben daran nicht verbirgt,
doch sein Onkel Slim, sagt Meister Yehudi, würde ihn zu Hause
nicht mehr sehen wollen. Schon als er in der Einöde von Kansas
ankommt, bereut er seinen Entschluß. Er, der Südstaatler, muß
mit einem Schwarzen und einer Indianerin unter einem Dach leben,
und es gibt absolut keine Möglichkeit, sich zu vergnügen,
meilenweit kein anderes Haus. Und der Meister scheint es nicht
gerade eilig zu haben, mit dem Unterricht zu beginnen. Dreimal
versucht Walt wegzulaufen - um immer wieder Meister Yehudi zu
begegnen, sobald er denkt, es geschafft zu haben.
Beim letzten dieser Versuche
zieht er sich eine schwere Krankheit zu, und lernt in der Zeit
seiner Genesung Mutter Sue, die Indianerin, und Äsop, den mißgestalteten
Schwarzen, zu lieben. Nach dieser Krankheit beginnt sein
Unterricht - er wird lebendig begraben, muß durch Wasser und
Feuer, wird ausgeschunden bis zum letzten - um plötzlich, ganz überraschend,
vom Boden abzuheben; etwa zur selben Zeit, da Lindbergh den
Atlantik überquert.
Nun kommt die Zeit der Proben,
des Verfeinerns - und die ersten Auftritte bei Jahrmärkten. Walt,
der Wunderknabe, der über Wasser wandelt. Trotz allem natürlichen
Mißtrauen wächst sein Ruhm immer weiter. Auch sein Onkel Slim
bekommt davon Wind - und er möchte seinen Anteil.
Er entführt Walt, fordert Lösegeld.
Doch kurz vor der Übergabe gelingt es ihm zu fliehen. Die
Zeitungen sind voll von Berichten über ihn - er ist bekannt im
ganzen Land, die nächste Tournee wird ausgehandelt, die ersten
Auftritte ein überwältigender Erfolg. Doch wenige Tage vor dem
ganz großen Auftritt in New York beginnt die Schwerkraft, sich zu
rächen - für jede Sekunde in der Luft büßt Walt mit den
heftigsten, schlimmsten vorstellbaren Kopfschmerzen. Ende der
Karriere.
Zu allem Überfluß werden sie
dann auch noch auf dem Weg nach Hollywood, zur zweiten Karriere,
überfallen - wieder von Onkel Slim. Alle Ersparnisse weg - und
Meister Yehudi tödlich verletzt.
Walt schwört Rache - und
verbringt die nächsten Jahre auf der Suche nach dem Missetäter.
Als er ihn endlich findet und seine Rachegelüste stillen können,
eröffnet sich ihm ein neuer Weg - Chicago in den dreißigern.
Als rechte Hand des
zweitwichtigsten Mannes von Chicago steigt auch er selbst rasch
auf - doch die Fehler der Vergangenheit hohlen ihn wieder ein.
Meine Meinung:
Der Traum des Menschen, fliegen
zu können, ist uralt. Die Möglichkeit, daß ein Mensch ohne
technische Hilfsmittel durch die Luft fliegt, scheint sehr
unrealistisch. Trotzdem vermittelt das Buch das Gefühl, einem
Tatsachenbericht zu folgen. Der Prozeß des Lernens, der Mißgeschicke,
die dabei passieren, die Qualen, die Walt erleiden muß - ich
hatte das Gefühl, wenn ich diese Prüfungen alle durchstehe, dann
kann ich auch fliegen.
Der Prozeß des Abhebens, sich in
der Luft bewegen wird so einleuchtend klar und selbstverständlich
beschrieben, daß er absolut realistisch wirkt.
Allerdings haben mir dann
entsprechend die beiden letzten Kapitel, Chicago und die letzten
Jahre, nicht mehr so gut gefallen.
Chicago hatte noch Spannung, Witz
- und spielt ganz einfach auch in einer interessanten Zeitepoche.
Aber die Jahre danach - das
empfand ich als mehr oder weniger lieblosen Abriß der letzten
Lebensjahre.
Besonders hervorheben möchte ich
allerdings Paul Austers Sprache - die handhabt er geradezu
virtuos! Einerseits spürt man den rotzfrechen Gassenjungen Walt
in jeder Zeile, andererseits ist die Sprache unheimlich klar. Auf
alle Fälle ein guter Einstieg, um die anderen Bücher von ihm
kennen zu lernen! (Daniela)
Bewertung: ***
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut
/ **** spitze)
Infos: 318 Seiten, Taschenbuch,
rororo Verlag, erschienen 1994 / 1996 ISBN: ISBN: 3-499-22152-7
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