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Highsmith, Patricia
Die stille Mitte der Welt: Buchtip des Monats Juni 2002
Inhaltsangabe:
Zum Auftakt der Werkausgabe der vor 7 Jahren verstorbenen Autorin Patricia Highsmith
veröffentlicht der Diogenes Verlag eine Sammlung von 14 Kurzgeschichten - 12 davon sind
weltweit Erstveröffentlichungen oder zumindest erstmals veröffentlicht in Buchform. Wer
dachte Patricia Highsmith zu kennen, der kann hier einige Überraschungen erleben. Es
handelt sich bei den Geschichten um Storys, die ganz zu Beginn ihrer schriftstellerischen
Tätigkeit zu Papier gebracht hat.
Allesamt sind psychologische Erzählungen in denen der Alltag mal wieder eine große Rolle spielt - erzählt mit Liebe fürs Detail. Jede Geschichte ist eine völlig eigene, nicht nur weil es Kurzgeschichten und somit insich geschlossen sind, sondern auch weil sie gar nicht für eine Veröffentlichung gedacht waren, zumal noch in einem Sammelband.
Somit erwartet den Leser hier eine bunte Mischung aus Geschichten, die nicht nur einen Einblick in das Leben der agierenden Figuren gibt, sondern auch einen Einblick in das Leben der Autorin selbst. Denn sie verrät uns hier ihre gedankliche Vielschichtigkeit.
Meine Meinung:
Kurzgeschichten sind ein Kapitel für sich. Sie sind nicht jedermanns Sache, da sie zu Ende sind, sobald man sich gerade an eine Figur gewöhnt hat. Doch Patricia Highsmith Geschichten sind sollten diejenigen nicht verpassen, die sonst mit Kurzgeschichten nicht viel anfangen können.
Die Erzählungen haben es wirklich in sich. Sie verfügen über einen gewissen Charme
und Patricia Highsmith hat es hervorragend verstanden ihnen eine enorme Aussagekraft zu
verleihen. Jede Geschichte hat eine Moral und die bleibt dem Leser nicht verborgen. In
manchen der Geschichten findet sich so mancher Leser selbst drinnen wieder. Das hat etwas
beklemmendes, aber es gibt auch Gelegenheit seine eigenen Verhaltensmuster zu überdenken.
Die vierte Erzählung aus diesem Band hat mir persönlich am besten gefallen. Wo jeder
Gast willkommen ist handelt von einer eigentlich sehr bedauernswerten Person: Mildred
plant die Vorbereitungen für ihren Gast auf die Sekunde genau. Sie hetzt und nutzt jede
Minute um alles noch schöner und perfekter zu machen, damit sich ihr Gast - ihre
Schwester - 1000%-ig wohlfühlt. Als die Schwester schließlich kommt, ist die ganze
Atmoshäre zerstörrt, denn durch die Perfektion bleibt die Situation angespannt und
ungemütlich. Das wichtige an einem Besuch ist schließlich die Gesellschaft und nicht ob
die Tischdecke gerade sitzt oder die Fenster blitzblank geputzt sind.
Mildred hat alles gegeben und doch nichts gewonnen! Als ihre Schwester wieder abgereist
ist, überkommt sie wieder unendliche Traurigkeit und Einsamkeit.
Ich habe Mildred liebgewonnen und sie tat mir unendlich leid. So sehr hatte mich diese
Erzählung ergriffen.
Die Geschichten habe ich alle gern gelesen. Einzig schade, dass sie nicht länger waren.
Aber das ist bei Kurzgeschichten nun mal so. Zeigt es nur einmal mehr, welch ein Talent
Patricia Highsmith war - sie vermochte sogar mit einer Kurzgeschichte derart zu
begeistern, dass man sich wünschte, die Geschichte wäre nicht so rasch zu Ende.
Für Patricia-Highsmith-Fans ist dieses Büchlein ein Muss. Und wer noch nichts von ihr
gelesen hat, sollte sich ruhig auf diese
Stories einlassen. Es lohnt sich! (Dorit)
Hier geht´s zum Sonderbericht über Patricia Highsmith, ihr Leben und ihr Werk!!!
Bewertung: * * * *
( * schlecht / ** ganz gut / *** gut / **** spitze)
Infos: Diogenes Verlag, 388 Seiten, ISBN 3 257 86078 1, 2002, 21,90 EUR