Erzählungen

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Re: Erzählungen

Beitragvon Herr Herbert » Mo 24. Aug 2009, 22:24

Hallo Maria,

Alice Munroe und Kathrine Mansfield habe ich gelesen, Stephen Crane allerdings ist mir neu. Danke für den Tip. Wobei ich mich derzeit ganz gerne bei den jungen deutschen Autoren umsehe.

Ich bin jetzt ein paar Tage im off - aber danach kann ich dann mehr zu Angelika Klüssendorfs Amateuren sagen. Vielleicht versuche ich mich dann sogar mal in einer Rezension.

Herzlich
Herbert
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Re: Erzählungen

Beitragvon Petra » Mi 2. Sep 2009, 08:48

Hallo Herr Herbert und Maria,
Hallo alle zusammen,

ich habe kürzlich zwei sehr interessante Bände mit Erzählungen geschenkt bekommen.

"Verbrechen" von Ferdinand von Schirach. Arno wurde durch einen Bericht im Spiegel darauf aufmerksam und dachte, das könne etwas für mich sein. Da liegt er vermutlich sehr richtig mit. Denn mich interessiert auch in der Belletristik und in längeren Romanen, WARUM ein ganz normaler Mensch zum Mörder werden kann. Schirach beleuchtet diese Frage und somit die Abgründe der menschlichen Psyche wohl anhand authentischer Fälle, die er in seinen Kurzgeschichten aufzeigt. Ich bin gespannt - die Rezensenten bei Amazon sind jedenfalls sehr begeistert! Vielleicht auch was für Dich, Herr Herbert? Ist mal ganz was anderes. Aber auf jeden Fall ein deutscher Autor, denen Du zur Zeit ja Dein Interesse widmest.

Und - die meisten hier im Forum kennen es schon, da wir beim Erscheinen schon mal darüber gesprochen haben - ich habe "Der Spatz meiner Herrin ist tot" geschenkt bekommen. Eine Sammlung von Erzählungen namhafter Autoren, die sich um Herzenangelegenheiten handeln. Herausgegeben von Jeffrey Eugenides. Ich habe mal in die darin enthaltene Kurzgeschichte von James Joyce reingelesen, die mir auf Anhieb gut gefiel. Mal sehen, was ich darin sonst noch so entdecken kann.

Stephen Crane sagte mir bislang nichts. Kann man ihn mit irgendwem vergleichen? Was schreibt er? Wie schreibt er? Was machen seine Erzählungen so besonders? Vielleicht kannst Du mir dazu was erzählen, Maria?
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Erzählungen

Beitragvon Wolf » Mi 2. Sep 2009, 10:27

Hallo Petra,

Petra hat geschrieben:Stephen Crane sagte mir bislang nichts. Kann man ihn mit irgendwem vergleichen? Was schreibt er? Wie schreibt er? Was machen seine Erzählungen so besonders?

ich habe ihn durch seine Gedichte kennengelernt, sehr beeindruckend durch ihre Lakonie und düstere Symbolik. Als Beispiel hier das Gedicht "In der Wüste" auf deutsch und im englischen Original. Dieses kurze Gedicht ist Teil des Gedichtbandes "The Black Riders and Other Lines".

Seine Lyrik wird manchmal mit der von Emily Dickinson verglichen, seine Kurzprosa mit der von Hemingway, obwohl der natürlich später als Crane lebte. Cranes Erzählungen sind oft im "Wilden Westen" angesiedelt oder auch in Mexiko; in seiner Erzählung "Das offene Boot" schilderte Crane aufgrund eigener Erfahrungen die Erlebnisse von vier Schiffbrüchigen. Über diese Erzählung sagte Joseph Conrad: "Diese Geschichte der vier Männer in dem winzigen Boot scheint mir in ihrer tiefen, schlichten Menschlichkeit das Wesen des Lebens selbst zu veranschaulichen." Cranes Erzählungen haben meist einen düsteren Grundton, in Wilperts Literaturlexikon wird von einem "sardonischen Realismus" gesprochen. Diese "Sardonie", also das "Lachen unter Schmerzen", die grimmige Ironie findet man auch im oben zitierten Gedicht "In der Wüste".

Schöne Grüße,
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Re: Erzählungen

Beitragvon JMaria » Mi 2. Sep 2009, 13:50

Petra hat geschrieben: Stephen Crane sagte mir bislang nichts. Kann man ihn mit irgendwem vergleichen? Was schreibt er? Wie schreibt er? Was machen seine Erzählungen so besonders? Vielleicht kannst Du mir dazu was erzählen, Maria?


Hallo Petra,

Wolfs Eindrücke und die angeführten Textauszüge aus dem Wilperts trifft es sehr gut. Eins seiner bekanntesten Kurzgeschichten ist "Das Blaue Hotel" (Blue Hotel).

Stell dir vor Nebraska, ende 19. Jahrhundert, drei Männer kommen am Bahnhof an, ein Schneesturm zwingt sie im "Blue Hotel" einzukehren. Empfangen werden sie vom Hausherrn und seinem Sohn. (Frauen kommen in der Erzählung nicht vor). Die Männer stammen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und besonders ein Mann ("Der Schwede") macht mit seinen absurden Anschuldigungen den anderen das Leben schwer. Ein Kartenspiel entwickelt sich zu einem Drama auf Leben und Tod.

Es ist ein Entwickeln von Ängsten in einer unwirklichen Umgebung. Draußen herrscht ein Blizzard und drinnen ist die Luft ebenfalls voller Spannung.

Von Diogenes gibt es einen Band mit "Meistererzählungen" von Stephen Crane.

Liebe Grüße
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Re: Erzählungen

Beitragvon Petra » Mi 2. Sep 2009, 14:21

Hallo Wolf und Maria,

sehr interessant, was Ihr das zu Stephen Crane schreibt! Dankeschön für Eure Mühe ihn mir näher zu bringen - das ist Euch sehr gut gelungen!

Besonders interessant dabei fand ich die Info, dass seine Erzählung über die Schiffbrüchigen auf eigenen Erfahrungen beruht. Mein Opa ist auf offener See zwei Tage mit einer Schwimmweste dahingetrieben. Durch ein Wunder wurde er von einem U-Boot aufgegriffen. Er hat mir oft von seinen Gefühlen erzählt, die er bei diesen Erlebnissen hatte. Auch von der Einsamkeit, die er nie so deutlich empfunden hat, wie dort auf dem Meer - er fühlte sich wie ein Tropfen Regen im Meer, so verloren. Auf Gedanken, die Stephen Crane zu seinem Schiffbruch in seiner Erzählung verarbeitet, wäre ich schon sehr neugierig und gespannt! Danke für den Hinweis, Wolf!

Ebenfalls besonders interessant fand ich, was Du Maria, über die Geschichte "Das Blaue Hotel" schreibst. Doch, das hat was! Das kann ich mir wirklich gut vorstellen, dass das sehr eindringlich/beklemmend wirkt.

Bei Kurzgeschichten und eindringlich fällt mir auch wieder Stefan Zweig ein. Seine Geschichten haben für mich auch immer sehr viel Atmosphäre und wirken zwar so menschlich und warm, aber auch gleichzeitig so beklemmend (durch die geschilderte Situation).

Stephen Crane werde ich sicherlich mal versuchen! Vielen Dank auch für die Links - besonders den zu dem Gedicht!
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Re: Erzählungen

Beitragvon JMaria » Mi 30. Sep 2009, 20:53

Hallo zusammen,

in der NZZ gibt es eine Rezension zu Was wird: Erzählungen von A.L. Kennedy

Warten auf den Zauberkünstler

Dennis Scheck hat in seiner letzten Sendung ein Kurzinterview mit der Autorin gehalten, mitten auf einer Straßenkreuzung in Edinburgh :)

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Re: Erzählungen

Beitragvon JMaria » Fr 2. Okt 2009, 20:24

Hallo zusammen,

der neue Erzählband von Kazuo Ishiguro klingt ja wirklich toll; es geht in den 5 Erzählungen um Musik (würde somit auch in unseren neuen Thread >>Musik in Büchern<< passen), jedoch wie Musik die Menschen trennt.

Hier gehts zur Faz:
Kazuo Ishiguros Erzählungen, Wo Schmalz und Tränen fließen

in einer Erzählung gehts um ein Kochrezept, das man lieber nicht ausprobieren sollte:

Auszug:
Man nimmt einen Kochtopf mittlerer Größe, füllt ihn mit einem halben Liter Wasser sowie zwei Brühwürfeln. Dazu kommen ein Teelöffel Kreuzkümmel, ein Esslöffel Paprika, zwei Esslöffel Essig und ein ordentlicher Schwung Lorbeerblätter. Bevor man das Ganze aufkocht, um es dann leise vor sich hin köcheln zu lassen, gibt man noch einen alten Schuh hinein, wobei sorgsam darauf zu achten ist, dass die Sohle, falls sie aus Gummi sein sollte, keinesfalls mitgekocht wird.


der gewünschte Effekt? Die Wohnung soll mit einem intensiven Hundegeruch durchzogen werden. Warum?
Gegen Ende des obigen Artikels gibt es eine Lösung dazu ;-)

Am Ende heißt es noch:

Dass der tiefernste Ishiguro, einer der wichtigsten englischen Autoren seiner Generation, zu Szenen von solch absurder Komik fähig ist, ist die größte Überraschung dieses mit unerwarten Wendungen gespickten Buches


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Re: Erzählungen

Beitragvon Petra » Di 13. Okt 2009, 10:34

Hallo zusammen,

ich habe letztens mal fünf oder sechs Kurzgeschichten von Lydia Davis gelesen. Und ich muss sagen: Ich stehe ihr leider sehr hilflos gegenüber. Das ist schade, denn ich finde ihren Erzählstil sehr schön klar! Was aber nichts daran ändert, dass ich allein nicht so recht dahinter komme, was sie mir mit den einzelnen Erzählungen sagen will.

Z. B. mit der ersten, wo es um das Ehepaar geht. Sie ist sehr wählerisch was das Essen anbelangt und hat an ihrem Mann ständig was auszusetzen. Schlussendlich lobt er ein Essen, das sie gemacht hat. Aber im Grunde nur, weil er an der Zubereitung Anteil hatte. Es also ein bisschen nach seinem Geschmack zubereiten konnte.

Aber was will die Autorin mir damit sagen?

Auch in "Foucault und Bleistift" hat sich mir der Sinn nicht erschlossen. Und in "Die dreizehnte Frau" war ich auch völlig ratlos. Da hat mir Wolfs (und auch Steffis) Interpretation hier auf die Sprünge geholfen.

Vielleicht mag mir zu den anderen beiden Geschichten (die erste mit dem Essen und über "Foucault und Bleistift") auch was sagen?

Vielleicht möchtet Ihr sogar gemeinsam einige Erzählungen von ihr gemeinsam im Lit-Chatten lesen und Euch darüber austauschen? Vielleicht eine oder zwei Erzählungen pro Woche. Falls dafür Interesse besteht, würde ich mich gern anschließen.

Das mit dem Thema "Ordnung" in ihren Geschichten nehme ich mir auf jeden Fall mal mit auf meinen Lese-Weg. Wie und wann ich die Geschichten auch weiterlesen werde.
Liebe Grüße,
Petra


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Re: Erzählungen

Beitragvon JMaria » Fr 16. Okt 2009, 13:17

Hallo Petra,

es ist schwierig im Nachhinein sich zu erinnern, was man bei den Kurz- und Kürzestgeschichten von Lydia Davis, gedacht und empfunden hat. Mir jedenfalls ist es im Moment nicht möglich, ohne die Geschichten nochmals zu lesen.

ich weiß ja nicht, wie es den anderen ergeht bei deiner Frage.

in "Foucault und Bleistift", so erinnere ich mich, gibt es kein Personalpronomen. Was vielleicht auch darauf schließen lässt, dass die Autorin einfach gerne mit der Sprache experimentiert.


Petra hat geschrieben:
Vielleicht möchtet Ihr sogar gemeinsam einige Erzählungen von ihr gemeinsam im Lit-Chatten lesen und Euch darüber austauschen? Vielleicht eine oder zwei Erzählungen pro Woche. Falls dafür Interesse besteht, würde ich mich gern anschließen.

Das mit dem Thema "Ordnung" in ihren Geschichten nehme ich mir auf jeden Fall mal mit auf meinen Lese-Weg. Wie und wann ich die Geschichten auch weiterlesen werde.



eine oder zwei Erzählungen pro Woche wäre bei mir machbar. Allerdings bin ich im interpretieren nicht sehr gut bzw. darin mich auszudrücken und ich würde mich dadurch überfordert fühlen.

Somit wäre mir wohler, wenn mehr mitmachen würden. :-)

Liebe Grüße
Maria
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Re: Erzählungen

Beitragvon Wolf » Fr 16. Okt 2009, 15:57

Hallo Petra,

beim Lit-Chatten über Lydia Davis' Erzählungen würde ich auf jeden Fall mitmachen. :-)

Letzten Monat ist übrigens Lydia Davis' einziger Roman "Das Ende der Geschichte" auf deutsch erschienen. Mehr dazu hier: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1031755/

Was ihre Kurzgeschichten betrifft: Es ist nicht eigentlich so, daß sie einem damit "etwas sagen will", sondern sie will einfach nur erzählen. Meist dreht und wendet sie einen Gedanken hin und her und beleuchtet ihn von verschiedenen Seiten; in der ersten Geschichte geht es beispielsweise um das Essen bzw. dessen Zubereitung: das wird alles recht detailliert erwogen und beschrieben, wodurch sich dann ganz nebenbei ein Bild des Ehelebens ergibt (der Titel "Fleischliche Liebe" ist ja doppeldeutig, er kann sich auch auf die Sexualität beziehen) - die beiden Ehepartner passen anscheinend nicht so ganz zusammen, oder sie leben zumindest ein wenig nebeneinander her. Diese Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Komik, diesen eigentümlichen Humor findet man auch in anderen ihrer Kurzgeschichten. Beispielsweise erklärt die Ich-Erzählerin zunächst, daß sie für ihren Mann koche, um dann ausführlich aufzuzählen, was sie nicht für ihn kocht: kein Fleisch, keine Meeresfrüchte, kaum Fisch, keinen Käse, wegen der Fettproblematik etc. Oder gegen Ende der Geschichte trumpft die Erzählerin damit auf, daß ihr Mann immerhin ein einziges Mal von einem ihrer Gerichte begeistert war. Sie erzählt von der Polenta, um dann gleich einzuräumen, daß er davon nicht begeistert war, dann erwähnt sie den "Kuhfladen", der natürlich auch nicht für Begeisterung steht und kommt dann zum Birnen-Nachtisch, von dem ihr Mann aber auch nicht begeistert war, weil sie ihn falsch zubereitet hatte, und erst nachdem er diesen Fehler behoben hatte, war er dann schließlich endlich begeistert.

Zu "Foucault und Bleistift" schrieb Maria ja schon, daß da es keine Personalpronomen gab, die Sätze sind skizzenhaft kurz und einfach, ganz anders als bei Foucault, den die Ich-Erzählerin (das Geschlecht des Erzählers bleibt, glaube ich, unerwähnt, es könnte also auch ein Mann sein) zu lesen versucht, über die Pronomen denkt sie dabei übrigens auch nach. Auch in dieser Geschichte werden Einzelheiten und zeitliche Abfolgen genau beschrieben, aber beim Kernproblem ("Foucault lesen") gibt es keinen richtigen Fortschritt. In der ersten Geschichte ist das so ähnlich, die Erzählerin denkt über das Essen nach, beschreibt ausführlich einzelne Gerichte, aber das Kernproblem (die Beziehung zu ihrem Mann) geht sie nicht direkt an, sondern das läuft nur so nebenbei mit.

Lydia Davis wurde einmal als "Stand-up comedian für Philosophen" bezeichnet, was bestimmte Aspekte ihres Werkes gut beschreibt: das Nachdenken und Umwälzen einzelner Gedanken, was aber bei ihr mit einer eigentümlichen Komik verbunden ist, auch mit einer gewissen Vergeblichkeit (vgl. den Titel "Fast keine Erinnerung"), am Ende führt dieses Nachdenken dann eben doch zu nicht sehr viel, außer zu einer Geschichte, die dabei entstanden ist. :-)

Schöne Grüße,
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