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Interview mit Andreas Altmann

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Foto: Andreas Altmann Nicht nur seine Biographie liest sich utopisch - auch seine Bücher. Es gibt praktisch kaum etwas, das Andreas Altmann nicht schon gemacht hat. Beruflich heißt das u. a. Dressman, Schauspieler, Taxifahrer, Psychologie-Studium, Postsortierer, Reporter, Schriftsteller, etc. - als Reisender bedeutet das ganz aktuell z. B. folgendes:

Zu Fuß ist Andreas Altmann mit 2,77 Euro, einigen Salamischeiben sowie zwei Dutzend Zigarillos in der Tasche von Paris nach Berlin gelaufen. Essen, Trinken, Unterkunft - das war ausgemacht - bekommt er nur, wenn er jemanden dazu überreden kann, ihm dies zu gewähren. Sprich: er musste darum betteln. Eine Erfahrung, die er in 34 Tage - 33 Nächte mit seinen Lesern teilen möchte. Dies und seine weiteren Bücher (Reiseberichte) der besonderen Art, in denen er nie First Class reist und bei denen stets der Mensch im Vordergrund steht, ohne Rücksicht auf dessen sozialen Hintergrund, waren für das Buecher4um Grund genug einmal nachzufragen:

Seit wann schreiben Sie und wie kam es dazu?

Andreas Altmann: Wann angefangen? Als „Privatmensch“ vor langer Zeit mit dem träneneichen Vollmachen eines Tagebuchs. Als Reporter, der veröffentlicht, fing ich 1988 an. 

Wie es dazu kam? Seit mir auffiel, dass ich zu einem anderen Beruf nicht tauge.

Seit wann reisen Sie und was bedeutet das Reisen für Sie?

Andreas Altmann: Vielleicht fing ich als Sechsjähriger an, später radelte ich als Pfadfinder, noch später als Abhauer: um dem Grind des Alltags zu entkommen. Das blieb, die grauenhafte Angst, dass ich ranzig werde.

Bricht man auf, lässt man einiges zurück. Was vermissen Sie, wenn Sie reisen?

Andreas Altmann: Mein Pariser Café.

Den Kurzbiographien in Ihren Büchern kann man entnehmen, dass Sie schon viele Berufe ausgeübt haben. Mal angenommen, Sie würden nicht mehr reisen und schreiben wollen - was wir nicht hoffen -, welcher Beruf könnte Sie heute interessieren?

Andreas Altmann: Amerikanischer Außenminister, dann könnte ich mich täglich amüsieren über den Stuss, den die Presse über politische Entscheidungen verbreitet.

Sie arbeiten als Autor, aber auch als Journalist. Für Ihre Bücher und Artikel gehen Sie oft an Grenzen, die für die meisten Menschen tabu sind. Um nur eines von vielen Beispielen zu nennen: Sie haben eine Zeit in einem Aidskloster in Prabat Nampu verbracht, Menschen beim Sterben die Hand gehalten, nicht weggeschaut. Was ist die treibende Kraft, die Sie an diese Grenzen gehen lässt?

Andreas Altmann: Klarstellung: Ich bin kein Journalist, ich bin Reporter, noch besser, „writer“: Schreiber. Journalisten sagen nie „ich“, sind immer objektiv und schaudern vor Gefühlen. Ich schreibe ich, halte Objektivität für grausam öde und ertrage Gefühle, wenn Hirnmasse auch auftritt. Warum ich das tue? Die immer gleiche Angst: um nicht vom ganz normalen Leben anästhesiert werden. Das Normale bringt mich um.

Was war für Sie die bisher größte Herausforderung?

Andreas Altmann: Mein Abitur, ich glaube noch heute nicht, dass ich es geschafft habe. Aber in meinem Ordner steht da „Reifezeugnis“. Immer wieder muss ich lachen, wenn ich es sehe.

Ihr neustes Buch erforderte sicher viel Mut und Durchhaltevermögen. Zu Fuß, ohne Geld, ohne Bett und Dusche - es sei denn, jemand hatte ein Einsehen mit Ihnen. Waren Sie während dieser Reise einmal nahe dran, alles hinzuwerfen und das Projekt abzubrechen?

Andreas Altmann: Nein, ich werfe nichts hin, ich traue mich ohne Story nie zurück. Zudem hatte ich schon die Hälfte des Vorschusses kassiert, drittens: das Gelächter über mich, den Aufgeber, ich hätte es nicht ertragen.

In Ihrem Vorwort erwähnen Sie, dass Sie mit dieser Reise u. a. auch das Anliegen hatten, Ihr Weltwissen zu erweitern. Ist das eingetreten? Wenn ja, inwiefern? Was haben Sie Neues gelernt?

Andreas Altmann: Sie stellen die letzten Fragen der Menschheit, Zuwachs an Weltwissen lässt sich nicht messen, auf geheimnisvolle Weise ist jeder nach einer solchen Erfahrung ein paar Millimeter weniger ignorant.

In Ihren Büchern steht das Interesse am Menschen immer ganz oben. Dabei ist es egal, aus welcher gesellschaftlichen Schicht sie kommen. Das dürfte nicht vielen Menschen egal sein, oder?

Andreas Altmann: Jeder Mensch ist mein Niveau, jeder irgendwo ein Spiegel meiner selbst. In dem Augenblick, in dem wir uns begegnen, soll Energie entstehen, Austausch, gegenseitige Bereicherung. Immer will ich ein kleines Wunder erleben, einer erzählt, einer hört zu.

Zu Ihren denkwürdigen und amüsanten Reisevorbereitungen gehörte neben dem Nassrasieren lernen auch die Lektüre früherer Wanderer. Gibt es unter diesen jemanden, der Ihnen besonders imponiert hat und falls ja, wer und aus welchem Grund?

Andreas Altmann: Jeder für sich ist der Bewunderung wert, was die Kunst der deutschen Sprache betrifft: da steht Wolfgang Büscher wohl an erster Stelle. Michael Holzach verfügte sicher über mehr menschliche Wärme als die anderen.

Auf dieser Reise sind Sie sowohl durch einen Teil von West- als auch einen Teil von Ostdeutschland gekommen. Für Sie wirkten Ost- und Westdeutschland wie zwei verschiedene Länder, trotz der Wiedervereinigung. Worin liegt dieser Unterschied Ihrer Meinung nach?

Andreas Altmann: Ach, das ist ein weites Feld, um es kurz zu machen: Die Ossis waren die Verschwenderischsten, die Großzügigsten. Sie rannten als erste nach einer Wurst für den Wandersmann. Dass sie nebenbei innig gejammert haben - über das schwere Los, Ossi zu sein - auch klar.

Sie haben für Ihr neues Buch Tagebuch geführt. Den niedergeschriebenen Gedanken (übrigens hochinteressantes Gedankengut!), die Ihnen während Ihrer Wanderung durch den Kopf gingen, lassen dies auch erkennen, da sie beinahe minutiös wirken. Bei Ihren anderen Büchern scheinen die Passagen hingegen länger. Weniger einzelne Gedanken, als vielmehr zusammengefasste Eindrücke im Rückblick. Haben Sie in Ihrem neuen Buch eine andere Vorgehensweise gewählt als sonst und wenn das so ist, aus welchem Grund?

Andreas Altmann: Nach der Rückkehr habe ich über die Form nachgedacht, irgendwie erschien mir (und den Verlegern) die Form eines Tagebuchs angebracht. Positiver Nebeneffekt. Einen tiefsinnigeren Grund weiß ich nicht.

Baden durften Sie bereits bei Ihrer Ankunft in Berlin. Aber was haben Sie nach dieser strapaziösen Reise als erstes gemacht, als Sie wieder nach Hause in Ihre Pariser Wohnung kamen?

Andreas Altmann: Meine noch immer jaulenden Füße in mein Pariser Café getragen.

Haben Sie schon neue Pläne was das Reisen und Schreiben betrifft?

Andreas Altmann: Es rumort. Darüber soll ein Schreiber - Meister Goethe hat uns das nahegelegt - den Mund halten.

Eine letzte Frage: Wie ist die Farbe Ihrer Lieblingsblume?

Andreas Altmann: Weiß, Gänseblümchen.

Und was war auf dieser Reise Ihr innigster, mutigster, glücklichster Moment?

Andreas Altmann: Nehmen wir doch die letzten Zeilen des Buches: „... nach 34 Tagen und 33 Nächten, nach einer Tonne kleinlauter Gedanken und einer anderen voller Enthusiasmus und Überschwang bin ich am Ziel. Ich versinke. Durch die Badezimmertür höre ich jemanden den wunderschönen Satz rufen: „Altmann, deine Sachen stinken bestialisch, wohin damit?“

 

Vielen Dank an Andreas Altmann für dieses Interview im Buecher4um!

Hinweis:

Button geht es zu Andreas Altmanns sehr informativen Internetseite!
Hier geht es zu den Buchbesprechungen:
Button gibt es eine Rezension zu "Der Preis der Leichtigkeit".
Button gibt es eine Rezension zu "34 Tage 33 Nächte".
Button gibt es eine Rezension zu "Getrieben. Stories aus der weiten wilden Welt".
Button gibt es eine Rezension zu "Weit weg vom Rest der Welt".
Button gibt es eine Rezension zu "Notbremse nicht zu früh ziehen! Mit dem Zug durch Indien".
Button gibt es eine Rezension zu "Unterwegs in Afrika".
Button gibt es eine Rezension zu "Einmal rundherum. Geschichten einer Weltreise".
Button gibt es eine Rezension zu "Im Land der Freien. Mit dem Greyhound durch Amerika".

Das Interview wurde im Jahr 2004 geführt von: Petra Ludwig

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© 1998 Buecher4um, erstellt am 17.04.2004, letzte Änderung am 21.03.2006, Layout by abrakan